Von Mittenwald zum Gardasee

Als Zweierteam beim Mega-Radsport-Event

Ein Bericht von Jens


 

Zusammen mit Harry Piske startete ich vom 29. Juni bis zum 5. Juli 2014 bei der 12. Ausgabe der „Schwalbe TOUR Transalp powered bei Sigma“. In sieben Tagesetappen ging es vom deutschen Startort Mittenwald über insgesamt 823,29 Kilometer, 19.267 Gesamt-Höhenmetern und 19 Alpenpässen ins italienische Arco, nahe des Gardasees. Neben uns gingen insgesamt 1200 Teilnehmer als Zweier-Teams aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, den Benelux-Staaten und Großbritannien sowie Dänemark, Schweden, Norwegen und Finnland, aber auch Kanada, USA und Neuseeland an den Start.

In den sieben Tagesetappen führte die Route über das österreichische Sölden in die nördlichste Provinz Italiens, nach Südtirol. Über Brixen und St. Vigil ging es ins Trentino in einen neuen Etappenort, nach Fiera di Primiero, und weiter nach Crespano del Grappa, in der italienischen Provinz Treviso. Über Rovereto führte die Strecke anschließend ins Ziel nach Arco in der Nähe des Gardasees.

Schon auf der ersten Etappe zeigte sich das Alpenwetter von seiner wechselhaften Seite und es fing pünktlich zur Startaufstellung an zu regnen bei Temperaturen knapp im zweistelligen Bereich. Mit dem Startschuss versuchte jeder schnell warm zu werden, denn am Ortsausgang stand der erste kurze steilere Anstieg an. Bis zum ersten Pass, der Buchener Höhe, ging es danach flacher dafür aber flotter voran, so dass oben jedem warm war. Der Regen ließ derweil auch nach, so dass die Abfahrt einfacher wurde. Nach einem Flachstück durchs Inntal begann in Kematen der Anstieg auf das 2000m hoch gelegene Kühtai, den zweiten Pass des Tages. Wegen einiger, nicht zu unterschätzender Rampen war dies der erste Gradmesser auf der Tour. Erschwerend kam der wieder einsetzende Regen und Temperaturen um die 6°C dazu. Die Abfahrt nach Ötz erforderte dadurch die erhöhte Konzentration aller Teilnehmer. Von dort ging es durch das Ötztal hinauf nach Sölden. Knapp 600 Höhenmeter mussten noch bis ins Ziel überwunden werden. Während die Spitze die Strecke noch trocken erlebte, kämpfte sich das hintere Fahrerfeld auch hier durch den Regen ins Ziel. Die warme Dusche und das leckere Essen bei der Pasta-Party hatten sich alle redlich verdient.

 

Als sich am nächsten Morgen die Wolken etwas verzogen hatten, war der Blick frei auf die Berge und den Neuschnee, der ab ca. 1700m Höhe gefallen war. Die Rennleitung entschied erst kurz vor Start nach einer Streckenbesichtigung, dass das Timmelsjoch, der erste Pass des Tages, gefahren werden konnte. So fiel pünktlich um 9:00 Uhr der Startschuss für den direkten Anstieg auf das 2500m hohe Timmelsjoch. Am Gipfel angekommen, erwartete die Teilnehmer nicht nur mannshoher Schnee links und rechts der Fahrbahn sondern streckenweise dichter Nebel. Auf der Abfahrt nach St. Leonhard spürte man dann jedoch die stetig steigenden Temperaturen von 2°C auf der Passhöhe bis auf fast 26°C im Tal. Da wurde schnell klar, warum die DFB-Elf sich hier für die WM vorbereitet hatte. Für das Fahrerfeld begann hier der Anstieg auf den knapp 2100m hohen Jaufenpass, den zweiten Pass des Tages. Nachdem der insgesamt gut zu fahrende Pass erreicht war, wurden die Teilnehmer bei frischen Temperaturen mit einer tollen Aussicht belohnt. Bis in den Zielort war dann Tempomachen angesagt, wobei ein kleiner Anstieg kurz vor dem Ziel noch einmal die Fahrt bremste. Auf dem Domplatz erwarteten dann alle gute Stimmung und kühle Getränke. Die Räder kamen dieses Mal nicht in den Bike Parc, sondern es ging für uns per Rad ins nah gelegene Hotel. Es zeigte sich mal wieder, dass man definitiv nicht immer auf den Radcomputer hören soll. Dieser schickte uns über Schotterwege durch einen Weinberg und mit extra Höhenmetern ins Hotel, inklusive einiger spöttischer Kommentare entgegenkommender Mountainbiker.

Die nächste Etappe wurde als leichte zur Schonung der Reserven angepriesen, den es stand „nur“ das 2121m hohe Grödnerjoch auf dem Programm. Nachdem es zunächst über breite Straßen ging, bog das Feld dann auf für die Tour neue Nebenstraßen ab. Eine kleine Brücke, zusammen mit dem dahinter beginnenden Anstieg führte prompt zu einem Stau, sodass ein kleines Stück Schieben angesagt war. Gut, wer da nicht mit Rennradschuhen unterwegs war. Als es kurz etwas flacher wurde, konnte man wieder aufsteigen und den Rest des Anstiegs in Angriff nehmen. Dieser zog sich über gut 6km bei fast immer zweistelligen Prozentwerten länger hin und sprengte das Feld weit auseinander. Danach ging es wellig ins Val Gardena, wo der lange Aufstieg zum Grödnerjoch warte. Bis auf eine kurze, etwas steilere Passage am Ortsausgang von Wolkenstein, die netterweise noch mit einer Baustellenampel gespickt war, ist dieser Pass gut zu fahren, so dass man auch einmal Zeit für die wirklich spektakuläre Landschaft hat. Motiviert durch das Gesehene und die lange, schnelle Abfahrt war der Schlussanstieg nach St. Vigil nur eine kurze Verzögerung auf dem Weg ins Ziel.

Der Morgen der Königsetappe war wieder wolkenverhangen, Schauer zogen über den Startbereich und auch die Prognose für den restlichen Tag war nicht sehr gut. Da ich mir auf der ersten Etappe einen Infekt eingefangen hatte, wollten wir nichts riskieren, nutzten unsere Wildcard aus und nahmen den Shuttle nach Fiera di Primiero. Mit dieser Entscheidung waren wir nicht alleine, so dass der Bus gut gefüllt war. Dass dies eine vernünftige Wahl war, stellte sich im Nachhinein raus. Vom Furkelpass bis zum Passo Giau regnete es und führte zu zahlreichen Aussteigern auf der Tour, so dass der Besenwagen nicht mehr reichte und weitere Fahrzeuge geschickt werden mussten. Außerdem hatten wir so wenigstens die Gelegenheit, die Spitze bei ihrer Zielankunft zu beobachten und anzufeuern.

Auf der nächsten Etappe trennten wir uns, d. h. Harry konnte einmal richtig Gas geben, während ich zusammen mit anderen Teams fuhr, die man mittlerweile kennengelernt hatte. Auf dem Streckenplan standen mit dem Passo Gobbera und dem Passo Brocon zwei neue Pässe und als Highlight der Monte Grappa. Das Wetter war mittlerweile mediterran geworden und die Sonnencreme wurde wichtiger. Am Monte Grappa blieben v.a. die fiesen Rampen mit 16% und mehr kurz vor dem Gipfel, aber auch die fantastische Sicht Richtung Adria in Erinnerung. Die Abfahrt auf der gleichen Strecke, wie sie der Giro d’Italia hinauffährt war ein Hochgenuss, da die Straße dank des Giros im besten Zustand war. Ein Lob sei an dieser Stelle den fleißigen Marshalls gegeben, die gefährliche Kurven sowie Kreuzungen absicherten – nicht nur hier, sondern während der gesamten Tour. Harry beendete diese Etappe rund 40min nach der Spitze, wobei er wegen der Zeitstrafe vom Vortag aus dem letzten Startblock starten musste. Eine klasse Leistung!

Da am nächsten Tag wieder einige Flachstücke anstanden, fuhren wir wieder zusammen, damit sie sich dort unterstützen konnten. Höhepunkt war zum einen die Serpentinenstraße bei Valstagna. Die in den Fels geschlagene Auffahrt schlängelt sich in unzähligen Kurven von Kehre zu Kehre. Hier hat damals der Baumeister sein Lineal verloren oder er hat zu tief ins Glas geschaut – ein bemerkenswertes Straßenbauwerk, das hinauf führt in die Sette Communi, eine altbayrischen Sprachinsel auf dem grünen Hochplateau um den Hauptort Asiago. Auf leicht kupierten Straßen hieß es erst einmal Kilometer machen. Nach einer ebenso kurvigen wie atemberaubenden, in steilen Fels geschlagenen Abfahrt von Rotzo nach Arsiero folgte der zweite, sogar anspruchsvollere Anstieg hinauf zum weitläufigen Hochplateau von Luserna, Folgaria und Lavarone. An der Valico di Valbona und dem Passo Coe lässt sich der eigene Charakter dieser Kulturlandschaft mit vielen Almen am besten erkennen, bevor es über Serrada durch einige historische Bergdörfer hinab ging nach Rovereto. An diesem Tag war unsere Unterkunft in Riva del Garda, was auch sofort für einen Spaziergang zum Strand des Gardasees ausgenutzt wurde.

Mit den Pässen Brentonico, Monte Faé und Passo Santa Barbara standen weitere neue Namen auf dem Programm der letzten Etappe. Zunächst ging es jedoch flach entlang der Etsch zum Warmfahren. Wobei es schon durch die Temperaturen von gut 24°C warm war. Nachdem Brentonico überwunden war, ging es noch einmal dicht an Rovereto vorbei hinauf zum kleinen, aber fiesen Monte Faé mit einigen kurzen, echten Rampen mit über 20% Steigung. Hier forderte meine Erkältung ihren Tribut und er musste die letzten Meter schieben. Davon war ich aber nicht alleine betroffen. Die vollbrachte Leistung der letzten Tage ließ hier einige Teilnehmer zu Fußgängern werden. Aber auch einem Begleitmotorrad machte die Schwerkraft einen Strich durch die Rechnung und so kippte es in einer sehr steilen Kehre um, zum Glück ohne größere Konsequenzen. Als dann endlich Santa Barbara erreicht war, wussten alle, dass es geschafft ist. Auf der engen, verschlungenen Abfahrt hieß es noch einmal konzentriert bleiben und wohlbehalten die letzten Kilometer nach Arco ins Ziel genießen. Hier wurden alle mit der Finisher-Medaille für ihre Strapazen belohnt. Begehrt waren hier aber auch isotonische Kaltgetränke. Nachdem die Räder für den Rücktransport verpackt waren, konnten auch Harry und ich das „dolce vita“ genießen.

Letztendlich sind wir froh, weitestgehend gesund, ohne Stürze und mit nur einem Platten im Ziel von Rovereto die Tour gemeistert zu haben. Da ich deutlich weniger trainieren konnte als geplant (lediglich 3000 km kamen zusammen), war die Platzierung nebensächlich. Daher haben wir auch nicht weiter nachgehakt, als Harry auf der vierten Etappe falsch gewertet wurde und danach als Gastfahrer galt. Grob überschlagen wären wir im unteren Mittelfeld gelandet, was in etwa unseren Erwartungen entsprach. Bei der Konkurrenz, die teilweise aus Ex-Profis besteht, ist eine vordere Platzierung nur über eine bessere Vorbereitung erreichbar. Die gesammelten Erfahrungen, Eindrücke und die gemachten Bekanntschaften machten für uns den wahren Reiz dieser Veranstaltung aus. Ein Start im nächsten Jahr ist eher unwahrscheinlich, da dann andere Ziele/Touren in Planung sind.

Etappe

Strecke

Pässe

km

hm

ET 1: 29/06/14

Mittenwald (D) – Sölden (A)

2

115,17

2.472

ET 2: 30/06/14

Sölden (A) – Brixen (I)

2

123,28

2.923

ET 3: 01/07/14

Brixen (I) – St. Vigil (I)

1

89,18

2.237

ET 4: 02/07/14

St. Vigil (I) – Fiera di Primiero (I)

5

154,74

3.490

ET 5: 03/07/14

Fiera di Primiero (I) – Crespano del Grappa (I)

3

122,37

3.164

ET 6: 04/07/14

Crespano del Grappa (I) – Rovereto (I)

3

141,56

2.907

ET 7: 05/07/14

Rovereto (I) – Arco (I)

3

77,29

2.074

Gesamt:

 

823,79

19.267