29. Maratona dles Dolomites am 5.7.2015
4:20 Uhr. Der Handy-Wecker klingelt. Im Hotel sind schon Geräusche zu hören. Kurze Zeit später treffen sich zahlreiche Radsportler beim Frühstück.
Der Maratona dles Dolomites wartet, Startzeit 6:30 Uhr. Eine Dreiviertelstunde früher beginnt die Abfahrt vom Hotel. Je näher man dem Start kommt, umso mehr Radfahrer strömen aus den Seitenstraßen dem Startplatz entgegen. Für Autos sind die Straßen längst gesperrt. Um 6 Uhr versammeln sich ca. 9.300 Teilnehmer in den verschiedenen Startzonen, die jetzt noch im Schatten liegen. Zum Glück ist es in diesem Jahr so warm wie nie, so dass auf Armlinge und Jacken verzichtet werden kann. Die ersten Sonnenstrahlen sind am Sassongher und an der Sella zu sehen. Langweilig wird die Wartezeit nicht, denn Hubschrauber bringen Offizielle und Prominente und auch das italienische Fernsehen, das das Rennen live überträgt, überfliegt die Wartenden.
Dann endlich der Startschuss, durch Lautsprecher verstärkt wie Kanonendonner. Langsam, sehr langsam setzt sich das Feld in Bewegung. Auf den ersten Kilometern nach Corvara ist man darauf bedacht, nicht mit anderen Fahrern zu kollidieren oder von der Straße gedrängt zu werden. Dann beginnt der Anstieg zum Campolongopass, die Straße verengt sich. Man hat inzwischen seinen Platz gefunden und orientiert sich am Tempo der Umgebung. Nur wenige Fahrer drängen sich durch Lücken oder am äußersten Rand nach vorn. Dann nimmt das Tempo allmählich ab bis zum Stillstand. Panne? Kollision? – Langsam löst sich der Knoten auf und es geht ohne weitere Probleme bis auf den Campolongopass. Die Zeit bis hierher? – Unterirdisch.
Die dortige Verpflegungsstation wird ausgelassen, ein Gel und ein Schluck aus der Flasche reichen. Bei der folgenden Abfahrt ist Vorsicht angebracht wegen der immer noch großen Enge. Dann plötzlich Warnzeichen und der erste Krankenwagen mit Blaulicht, der gerade eine gestürzte Radlerin aufnimmt. Langsames Vorbeifahren und Vorsicht bei der weiteren Abfahrt nach Arraba sind geboten.
Auf der 9 km langen Auffahrt zum Pordoipass entzerrt sich das Teilnehmerfeld, jetzt kann man das eigene Tempo fahren und es macht langsam richtig Spass. Nach einer zügigen Abfahrt wartet mit der Auffahrt zum Sellajoch der steilste Abschnitt. Die Straße geht in einigen Kehren direkt bis an den Gebirgsstock heran, ein beeindruckendes Erlebnis. Und inzwischen fährt man auf der Westseite der Sella wieder voll im Schatten. Abwechslung bringt eine „Band“, die mit Schlagzeugen und Kuhglocken die Radfahrer anfeuert. Noch Kilometer weiter hört man ihre Rhythmen weit unterhalb im Tal. Kurz vor dem Sellapass öffnet sich der Blick auf Lang- und Plattkofel und zurück auf die schneebedeckte Marmolata. An der Verpflegungsstation auf dem Sellajoch rasten viele Teilnehmer, es ist kaum ein Durchkommen möglich.
Auf der folgenden Abfahrt kann ich es richtig krachen lassen, vor allem im oberen Teil, wo der Straßenbelag neu ist. Jetzt kommt nur noch der leichte Aufstieg zum Grödnerjoch mit der anschließenden Abfahrt nach Corvara. Inzwischen zwickt die am Vortag gezerrte linke Wade so stark, dass ich schon längst entschieden habe, in Corvara nach der „kurzen“ Strecke ins Ziel zu fahren. So kann ich auch die 2 km lange flache Strecke am Sellastock entlang, die den Aufstieg unterbricht, nicht mehr richtig genießen. Nach einer rasanten Abfahrt das Grödnerjoch hinab lasse ich es mir nicht nehmen, einen richtigen Zielsprint anzuziehen, was von vielen Zuschauern mit Applaus honoriert wird.
Ingmar ist schon längst durch Corvara gefahren. Er wählt die mittlere Route, radelt nochmals den Campolongopass hinauf und nach Arraba hinunter, anschließend durch das Buchensteintal nach Andraz. Am Falzaregopass erwacht sein Ehrgeiz und er überholt auf der 11,8 km langen Steigung rund 400 Mitfahrer, während nur zwei Fahrer schneller als er sind. Nach einer schnellen Abfahrt vom Valparolapass hinab geht es in La Villa die „Mür di Giat“ (Katzenmauer) hinauf, 360m mit bis zu 19 % Steigung und ein Zuschauermagnet. Als Bühnenprofi nutzt Ingmar die Gelegenheit, legt einen tollen Bergsprint hin und schreit seine Freude heraus, was im Publikum große Resonanz erzeugt. Nach weiteren 5 km ist auch er im Ziel nach 106 km und 3130 Höhenmetern.
Bei der Pastaparty in der Eissporthalle treffen wir durch Zufall Jörg Kowalke und Rainer Sülberg vom Iserlohner Triathlonteam, die sogar die längste Strecke von 138 km und 4320 Höhenmetern gefahren waren.
Insgesamt war das Rennen hervorragend organisiert, das Wetter war prächtig. Bis auf die ersten 10 km, als die große Enge extreme Aufmerksamkeit verlangte, machte es ungeheuer viel Spaß, in einer atemberaubenden Landschaft mit vielen Gleichgesinnten Rad zu fahren.
Obwohl Ingmar und ich nur wegen des Erlebnisses und ohne den Gedanken an einen Wettkampf mitgefahren sind, freuten wir uns dennoch über unsere Plätze im vorderen Mittelfeld (H-D 51. und Ingmar 117. in der jeweiligen Altersklasse).